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Upgrade, Sonderaktion, alles wird besser, preiswerter, Bundle oder sonstige Quatsch-Angebote

Verzweifelte Sehnsucht nach einer Kundenkommunikation ohne Öffentlichkeit. Apps als Kundenversteher.
Gunnar Sohn | 23.10.2012
Open Government, Open Innovation, Open Development, Open Data oder Open Source – an vielen Stellen des Internets sprießen Projekte wie Pilze aus dem Boden, um die Weisheit der Vielen im Netz für Bürgerbeteiligungen, für die Entwicklung und Verbesserung von Produkten oder Software zu nutzen. Offenheit und Transparenz sind dafür die Grundvoraussetzung – mit Abschottung und Maueraktiken kommt man nicht weit. Anders sieht es in der Dienstleistungsbranche aus. Von Open Service ist wenig zu hören. Im Kundendialog liebt man die Eins-zu-Eins-Beziehung per Telefon, Fax, Brief oder E-Mail.

Verzweifelte Sehnsucht nach einer Kundenkommunikation ohne Öffentlichkeit


Selbst wenn Serviceärgernisse von Kunden aus der analogen Welt ins Social Web gehoben werden, gibt es verzweifelte Versuche bei den Anbietern, die verärgerten Verbraucher so schnell wie möglich wieder in das Tal den abgeschlossenen Kosmos der klassischen Kommunikation abzudrängen. Ein netzöffentlicher Dialog könnte die Schwächen im Management zu schnell offenlegen. Etwa bei der Disputation von Service Insider-Kolumnist und Ich sag mal-Blogger Gunnar Sohn mit E-Plus (Base) über das Bürokraten-Regime des Mobilfunkunternehmens bei einer profanen Umstellung des Kontos zur Überweisung der Smartphone-Gebühren. Ausführlich beschrieben in dem Blogpost „E-Plus (Base) und die Koberer der Reeperbahn: Wie man Herrengedecke vertickt und Vertragsänderungen blockiert“.

Für neuen Umsatz reicht ein Ja-Wort

Vernetzte Services oder das One-Hand-Prinzip sind bei Firmen wie E-Plus noch nicht so richtig auf der Tagesordnung. Beim Abschluss eines Neukundenvertrages geht alles noch ganz easy. Das gilt auch für Upgrade-Sonderaktion-Cross-Selling-alles-wird-jetzt-besser-schneller-und-preiswerter-Bundle-oder-sonstige-Quatsch-Angebote, die einem von Hotlinge-Agenten ins Ohr geblökt werden. Es reicht ein profanes “Ja” und die gesamte Vertragsumstellung verläuft unsichtbar wie von Zauberhand dirigiert.

Ist man schon lange Jahre Bestandskunde und bittet um Änderungen, die keinen zusätzlichen Umsatz bewirken, gesellen sich selbst Technologiekonzerne wie E-Plus zur Fraktion der Internet-Ausdrucker. Ohne Formularkriege auf handgemeißelten Marmortafeln, die in fünffacher Ausfertigung eingereicht werden müssen, geht dann nichts mehr. Siehe dazu auch die Service Insiders-Kolumne.

Vernetzungsintelligenz im Kundendienst ist Mangelware. Da wäre es schon ein großer Schritt, die inkompetente Beratung durch smarte Apps zu kompensieren, statt dem Hotline-Zeitalter des vergangenen Jahrhunderts anzuhängen. Investitionen für perfektes Service-Design immer noch kläglich aus, wie Andreas Klug von der Kölner Softwarefirma Ityx beim virtuellen Blogger Campbemerkte.

Eine Vernetzung in der Kundenkommunikation findet nur selten statt. Da weiß die eine Hand nicht, was die andere macht. Von einer in sozialen Netzwerken gelebten Kultur der Offenheit, Beteiligung und des Dialogs auf Augenhöhe sind die Service-Organisationen so weit entfernt, wie der Papst von der Abschaffung des Zölibats. „Dabei bieten die im Social Web gebotenen Technologien immer mehr Möglichkeiten, eine Enterprise 2.0-Organisation auf die Beine zu stellen, um intelligenter, personalisierter und direkter mit den Kunden in Kontakt zu treten“,sagte Netzwerkexperte Bernd Stahl von Nash Technologies beim Vorbereitungsgespräch auf das Blogger Camp.

„Um von der Servicewüste in die blühenden Landschaften der digitalen Vernetzung zwischen Unternehmen und Verbrauchern zu kommen, müssen die Investitionen für Kundendienste deutlich steigen. Nach einer IBM-Studie sind im vergangenen Jahr rund 500 Milliarden Dollar in den USA in Marketing gesteckt worden. Nur 20 Milliarden wurden für das so genannte Kunden-Beziehungsmanagement aufgebracht. Und gerade einmal ein Betrag von acht bis neun Milliarden wurde direkt in den Kundenservice gesteckt. Verbraucher sind anscheinend für viele Firmen leider immer noch ein unangenehmes Anhängsel“, kritisiert Klug.

Apps als Kundenversteher


Es fehle der Mut, neue Weg zu beschreiten. „Warum gibt es keine Smartphone-App ‚Ich will einen Stromanschluss haben’. Ich tippe den Dienst an und werde durch ein Menü geführt. Im Dialog mit der App wird sofort festgestellt, was ich als Kunde möchte. Einen Anschluss anmelden, kündigen oder ummelden, Kontodaten abgleichen, den Zählerstand fotografieren, einen Dauerauftrag einrichten, Umzug organisieren oder einen Anbieterwechsel vornehmen“, so Klug. Das Ganze stehe gebündelt in einer virtuellen Akte jederzeit zur Verfügung und kann personalisiert verarbeitet werden.

„Es wird mir ein Preis vorgeschlagen und der Makler sorgt dafür, dass ich am nächsten Tag einen Stromanschluss habe. Mit Künstlicher Intelligenz kann man diese Daten auslesen und punktgenau bearbeiten wie bei der Anfertigung eines Maßanzuges. Das muss kein Servicemitarbeiter mehr machen. Ich bin sogar davon überzeugt, dass viele Mitarbeiter im Kundendienst solche Dinge schlechter bearbeiten als Maschinen. In der App-Economy könnte man den Kunden sehr viel mehr bieten, um das Warteschleifen-Syndrom vom Tisch zu fegen“, erklärte Klug in dem Live-Hangout mit Hannes Schleeh, Dirk Elsner, Frank Schulz, Andreas Prokop und Robert Redl.

Gleiche Effekte erzeugt man mit der sozialen Intelligenz der vernetzten Kunden über Chats, selbsterklärende Youtube-Videos, öffentliche Dialogformen in Live-Hangouts, Foren, kompetente Facebook-Teams, Twitter-Nachrichten und smarte Web-Services. Unternehmen und Kunden sparen sich dann Zeit und Ärger. Davon hat man scheinbar in der Telekommunikation und Informationstechnologie noch nicht viel gehört. Siehe die Blogpostings: Auf der Suche nach dem Social-CIO: Wie innovativ ist die Informationstechnologie in Unternehmen? Und auch: VATM-Studie: Zur Lage der TK-Dinosaurier – Warum Apple und Google besser sind.

Beitrag unter: http://ne-na.de/upgrade-sonderaktion-cross-selling-alles-wird-jetzt-besser-schneller-und-preiswerter-bundle-oder-sonstige-quatsch-angebote/001711