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Künstliche Intelligenz im Kundenservice

KI ist unverzichtbar, um den Service-Erwartungen der Kunden gerecht zu werden. Sie soll Mitarbeiter unterstützen und entlasten.
Ferri Abolhassan | 12.02.2018
Dank KI können Bots bald auch in der Telefonie eingesetzt werden. © Pixabay / 3dman_eu
 

KI boomt. Allein im Silicon Valley stürzen sich aktuell über 200 Start-ups darauf. Auch die großen Plattform-Unternehmen wie Amazon, Google, Baidu oder Alibaba mischen kräftig mit und investieren Milliarden Dollar. Gerade erst hat Facebook einen neuen Chefposten für Künstliche Intelligenz geschaffen. Diese wird schon heute in vielen Produkten des sozialen Netzwerks eingesetzt – z. B. im persönlichen News-Feed. Warum der große Aufwand? Die Antwort ist schlicht: KI verspricht mehr Effizienz, neue Geschäftsideen und damit neue Absatzmöglichkeiten. Durch mehr Produktivität und neue Tätigkeitsfelder erwartet McKinsey allein für unsere Wirtschaft in den nächsten Jahren ein Plus von 160 Milliarden Euro. Die Anwendungsfelder von KI sind schier unbegrenzt: Sie kann Bilder analysieren, Sprachen übersetzen, individuelle Versicherungstarife erstellen, Industrieanlagen produktiver machen und Naturkatastrophen vorhersagen.

KI im Kundenservice angekommen

Auch im Kundenservice sind KI-Lösungen längst angekommen, zum Teil unbemerkt: Banken setzen auf RoboAdvisor, die den Kunden Tipps für ihre Geldanlage geben, Energieversorger können mit intelligenter Software die Stromzähler ihrer Kunden übers WLAN ablesen, und Versicherungen lassen KI-Systeme Beschwerdeschreiben analysieren. Es gibt Software, die die Stimmung oder Missstimmung des Kunden erkennt, seinen Verärgerungsgrad auf einer Farbskala einsortiert und die Fälle automatisch an speziell geschulte Kundenberater sendet. Kurzum, KI ist unverzichtbar geworden, um den immer größeren Service-Erwartungen der Kunden gerecht zu werden: Schnell, einfach, transparent und proaktiv soll Service sein. Und das Anliegen möglichst im Erstkontakt gelöst werden. Lieber kurz chatten als minutenlang in der Hotline hängen oder gar Tage auf eine Antwort per E-Mail zu warten. Was heißt das jetzt für einen Anbieter wie die Telekom - mit mehr als 20 Millionen Festnetz- und 42 Millionen Mobilfunkkunden? Mit einer hochgradig komplexen Systemlandschaft, einer großen Produktvielfalt und daraus resultierend 270.000 Kundenkontakten pro Tag auf allen Kanälen: Telefon, Post, Fax, App, Website, Messenger und soziale Medien. Und was heißt das für ein Team von rund 30.000 Mitarbeitern?

Technologie muss Kunden nutzen und Mitarbeiter entlasten

Zwei Dinge stehen bei unseren Überlegungen im Vordergrund, wenn es um KI geht: Werden unsere Kunden das Angebot nutzen und akzeptieren? Und machen wir mit einem neuen Service das Leben unserer Kunden leichter? Darum geben wir unseren Kunden immer wieder die Möglichkeit, Innovationen frühzeitig mit uns zu erproben, Feedback zu geben und eigene Wünsche einzubringen. Unser jüngstes Beispiel dafür ist die Telekom-Ideenschmiede. Genauso wichtig ist für uns die Frage: Entlasten wir damit unsere Mitarbeiter? Gewinnen sie mehr Zeit, etwa für die Beratung unserer Kunden? Motivieren wir sie stärker, weil wir sie von monotonen Routineaufgaben befreien? Heute entlasten Software-Roboter unsere Kundenberater bereits bei 2,9 Millionen Geschäftsfällen im Monat. Mit 1.500 dieser Frontend-Assistenten betreiben wir eine der größten Roboter-Farmen Europas. Eine Erkenntnis ist entscheidend: Solche Systeme können und sollen den Berater aus Fleisch und Blut nicht ersetzen, sondern ihn – wo sinnvoll – unterstützen und entlasten. Denn der persönliche Kontakt ist den Kunden nach wie vor extrem wichtig. Laut einer Umfrage glauben zwar 42 Prozent der Konsumenten, dass KI den Service verbessern kann, 80 Prozent bevorzugen aber noch immer den menschlichen Kontakt. Um schnell an Infos zu kommen, lassen sich die Kunden bereitwillig auf intelligente Software ein, bei individuellen Anliegen bevorzugen sie jedoch den Austausch mit Menschen. Darum spreche ich im Zusammenhang mit KI von digitaler Empathie. Es geht um eine smarte Kombination aus Menschen und technischen Möglichkeiten. Deshalb sollte man solche Technologien immer mit Augenmaß einsetzen. Und Mitarbeitern wie Kunden die Gelegenheit geben, sich daran zu gewöhnen, positive Erfahrungen zu machen. Erst die bringen die nötige Akzeptanz. Bestes Beispiel: Unser digitaler Assistent, den wir den Kunden seit Herbst 2016 anbieten. Zunächst für wenige ausgewählte Themen, inzwischen für immer mehr. Heute chatten unsere Kunden schon 50.000 mal im Monat mit ihm – bei Anliegen zur SIM-Karte, zum Smartphone oder WLAN. Der Kunde bekommt eine schnelle Antwort, der Berater wird entlastet, indem ihm der Chatbot häufig gestellte Fragen abnimmt. Wird das Anliegen nicht zur Zufriedenheit des Kunden gelöst, kann er direkt mit einem Berater weiterchatten.

Intelligenz für Bot, Routing und Stimmerkennung

Bislang arbeitet dieser Chatbot nicht mit KI, sondern mit festen Algorithmen. Weil er aber gut angenommen wird, erweitern wir ihn in den nächsten Monaten: Wir statten ihn mit künstlicher Intelligenz aus, damit er immer besser wird und dazulernt. Und dank eines natürlichsprachlichen Dialogsystems können wir ihn künftig auch in Calls einsetzen. Zudem wird der smarte Sprachroboter unsere Berater dann bei internen Recherchen unterstützen, damit sie die Anliegen unserer Kunden noch schneller klären können. Mehr Intelligenz bringen wir auch ins Routing der Kundenanrufe. Mittels Machine Learning wollen wir die Wahrscheinlichkeit komplexerer Anliegen vorhersagen und die Kunden so direkt zum passenden Spezialisten durchstellen. Ähnliches planen wir für die Anfragen, die uns per E-Mail erreichen. Auch diese werden wir demnächst Mithilfe von KI analysieren, um sie noch zielgerichteter bearbeiten zu können. Und auch für die schnelle und einfache Authentifizierung unserer Kunden an der Hotline arbeiten wir an einer intelligenten Lösung. Diese basiert auf Voice-Biometrie. Künftig wird sich jeder Kunde, wenn er möchte, über sein einzigartiges Stimmmuster identifizieren können. Seine Kundenummer und das Passwort braucht er dann nicht mehr. Übrigens auch ein Bespiel für eine Idee, die wir gemeinsam mit Mitarbeitern und deren Stimmproben aufgesetzt haben.

KI für proaktiven Service

Und wie kann KI bei proaktiven Service unterstützen? Bestes Beispiel: Wir testen gerade eine Kombination aus KI und Robotic-Process-Automation für einen „proaktiven Gewitterservice“. Predictive Analytics helfen uns, Gewitter vorherzusagen. Software-Roboter informieren dann unsere Kunden im gefährdeten Anschlussbereich per SMS und bitten sie, den Netzstecker am Router zu ziehen. So reduzieren wir Störungen und Ausfälle, denn dazu kommt es durch Blitzeinschläge immer wieder. Indem wir die Koordinaten der Blitzeinschläge auswerten und eine Korrelation mit den Anschlussbereichen herstellen, können wir künftig Probleme erkennen und idealerweise sogar schon beseitigen, bevor die Kunden eine Störung bemerken. Auch in vielen anderen Situationen können uns Predictive Analytics und intelligente Mustererkennung dabei helfen, Probleme proaktiv abzustellen. Das testen wir bereits intensiv.