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Künstliche Intelligenz und Trends im Kundenservice

Territory Vice President Heinrich Welter von Genesys erläutert im Interview Herausforderungen und neue Technologien in der Contact-Center-Branche.
marketing-BÖRSE | 15.04.2020
Heinrich Welter, Territory Vice President EMEA Central & General Manager DACH bei Genesys © genesys
 

Das Interview führte Gabriele Braun, marketing-BÖRSE

 

Genesys liefert jedes Jahr mehr als 70 Milliarden Kundenerlebnisse für Unternehmen in über 100 Ländern und ist Vorreiter im Bereich „Experience as a Service“. Mithilfe von Cloud und KI verknüpft die Technologie von Genesys alle Interaktionen eines Kunden über alle Kanäle hinweg. Damit werden auch die Mitarbeiter in die Lage versetzt, die Anliegen der Kunden besser zu bearbeiten. Im Interview erklärt Heinrich Welter, Territory Vice President EMEA Central & General Manager DACH bei Genesys, wie Mitarbeiter Kunden schnell, vorausschauend und maßgeschneidert den Service bieten, den sich diese heutzutage wünschen.

 

Die Contact-Center-Branche ist im stetigen Wandel. Welche Trends werden die Branche in den nächsten 3 Jahren verändern? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?

Einer der wichtigsten Trends wird in Zukunft die vorausschauende Kundenansprache sein. Unternehmen wissen bereits viel über ihre Kunden. Dennoch werden noch nicht sämtliche historische Daten vollumfänglich dazu verwendet, um sie bis ins Detail zu verstehen. Es geht darum, herauszufinden, wann Unternehmen mit Kunden in Kontakt treten und wann sie ihnen Vorschläge unterbreiten sollten, die für diese von besonderer Bedeutung sind. Hierbei unterstützen Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI). Sie ermitteln beispielsweise die beste Vorgehensweise dafür, wann der Kunde mit welcher Ressource oder welchem Angebot angesprochen werden kann.

Der zweite Trend für das Contact Center ist die Cloud. Bereits seit über einem Jahrzehnt als vorherrschender Trend in der IT-Branche erkannt, wurden Contact Center aus einer Vielzahl an Gründen deutlich langsamer in die Cloud verlagert als andere Anwendungen. Heute sind wir jedoch an einem Punkt angelangt, an dem es nicht mehr darum geht, ob Unternehmen ihre Contact Center in die Cloud verlagern, sondern wann. Die aktuelle Situation beschleunigt natürlich die Nachfrage nach Remote-Arbeit, was auch das Interesse an Cloud-basierten Technologien treibt.

 

Inwieweit spielen die Entwicklung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz eine Rolle? In welche Richtungen gehen die Entwicklungen?

KI wird weiterhin eine zunehmende Rolle im Kundenservice spielen. Sie wird bei Chat- und Voice-Bots bereits eingesetzt, um Kunden, die mit diesen in Berührung kommen, zu helfen. Dadurch können die Bots einfache Anfragen lösen und einen effizienteren Service bieten.

Zudem unterstützt KI Organisationen bereits dabei, ein höheres Maß an personalisierten Diensten bereitzustellen. Unternehmen speichern riesige Datenmengen aus jeder einzelnen Kundeninteraktion. Mit KI ist es möglich, auf Basis dieser Daten jede Person und ihre einzigartigen Bedürfnisse zu analysieren und zu verstehen. Dies wiederum erlaubt es Unternehmen, auf den Einzelnen zugeschnittene Dienstleistungen anzubieten.

KI wird auch das tägliche Leben der Agenten verbessern. Da die Technologie einfache Aufgaben automatisiert umsetzen kann, können Mitarbeiter mit komplexeren und interessanteren Aufgaben betraut werden. Darüber hinaus kann sie auch dazu verwendet werden, Agenten schnell Informationen zur Verfügung zu stellen, um sie bei der Beantwortung von Kundenanfragen zu unterstützen.

Egal welches Einsatzgebiet: Jede Organisation, die sich mit dem Einsatz von KI befasst, muss sicherstellen, dass die Technologie nahtlos mit den Mitarbeitern zusammenarbeitet. Nur so wird sie deren Arbeit auch verbessern.

 

Sehen Sie im Bereich Virtual Reality Einsatzbereiche für Callcenter und Servicecenter?

Die virtuelle Realität (VR) bietet Contact Centern einige interessante Möglichkeiten. Sie eignet sich jedoch besser für Schulungszwecke oder die Datenvisualisierung durch Contact-Center-Manager als für den Alltag des Agenten. Die Haupthemmnis für den Einstieg in die VR ist, dass die Headsets aufgrund ihrer Größe für eine komplette Schicht immer noch zu unbequem sind. Dies kann sich nachteilig auf die Arbeitszufriedenheit auswirken. 

Unternehmen beginnen jedoch vermehrt, sich mit Anwendungsszenarien von Augmented Reality (AR) auseinanderzusetzen. Diese Technologie ist für Konsumenten leichter zugänglich, da sie auf mobilen Endgeräten verwendet werden kann. Durch den Einsatz von AR können beispielsweise Immobilienmakler virtuelle Besichtigungen anbieten. Potenzielle Käufer von Immobilien können diese dann bequem von zu Hause aus besichtigen. Dies ermöglicht Kunden eine interaktive und intuitive Erfahrung.

 

Das Cloud-Modell setzt sich immer weiter durch. Für welche Unternehmen eignet es sich besonders gut?

Das Cloud-Modell eignet sich für jedes Unternehmen – unabhängig davon, ob es über 10.000 oder nur zehn Kundenservice-Mitarbeiter verfügt. Es ist auch die naheliegendste Wahl für Unternehmen, die noch alte On-Premises-Systeme verwenden, die für die Herausforderungen von gestern entworfen wurden. Cloud-Lösungen sind flexibel und entwickeln sich auf der Grundlage dessen, was die Benutzer jetzt und in Zukunft benötigen weiter.

Die Cloud erleichtert es Unternehmen, mit Kunden über jeden beliebigen Kanal in Verbindung zu treten und gleichzeitig hochgradig personalisierte Erfahrungen zu liefern. Außerdem können sie dank der Möglichkeiten der Cloud wertvolle Daten anzapfen und KI nutzen, um die Kundenhistorie und das Kundenverhalten in Echtzeit zu analysieren. Dieses Wissen ermöglicht es Agenten, reaktionsschnelle, vorausschauende und maßgeschneiderte Services bereitzustellen, die die Kunden von heute erwarten.

Kurz gesagt: Die Cloud ist eine ideale Lösung für jedes Unternehmen, das sich differenzieren und personalisierte Erfahrungen für die gestiegenen Kundenerwartungen von heute anbieten möchte.

 

Genesys hat aktuell eine Studie herausgebracht zum Thema besserer Service und KI. Können Sie uns die wichtigsten Ergebnisse kurz beschreiben? Wie können Unternehmen heute ihre Kunden begeistern?

Die Studie lieferte eine Reihe interessanter Ergebnisse. So lassen sich beispielsweise 77 Prozent der deutschen Konsumenten bei einer Kaufentscheidung vom Ruf des Unternehmens in puncto Kundenservice beeinflussen. Auch spannend: Im Rahmen der Studie gaben 42 Prozent der Befragten an, dass KI ihre Anliegen in mehr als der Hälfte der Fälle lösen kann.

Der Schlüssel dazu, wie Unternehmen ihre Kunden beeindrucken können, liegt darin, sachkundige Mitarbeiter bereitzustellen, die in der Lage sind, zeitnah genaue Informationen zu liefern. Dies sind die zwei wichtigsten Antworten auf die Frage nach den Faktoren für erstklassigen Kundenservice. Wenn Unternehmen diese Erwartungen an die Servicequalität nicht erfüllen, kann dies schwerwiegende Folgen für diese nach sich ziehen, da die Hälfte der deutschen Verbraucher zu einem anderen Unternehmen wechseln würden.

 

Laut PwC werden künftig 80 Prozent der Service-Anfragen maschinell beantwortet, etwa per Chat- und Voice-Bots oder mit intelligenten Self-Services. Ein Contact Center der Zukunft benötigt also wesentlich weniger Mitarbeiter?

Natürlich wird sich KI auf die Rollen in Contact Centern auswirken und diese weiterentwickeln. Wir sehen diese Technologien aber nicht als Job-Killer, wie es die Schlagzeilen einiger Medien behaupten. KI ist nicht HAL 9000 – motiviert durch Selbsterhaltung. KI ist in Wirklichkeit nur ein Algorithmus, der sich mit Daten befasst.

Unsere Studie hat ergeben, dass die Menschen immer noch mit einer Person sprechen wollen, um komplexe Aufgaben zu bewältigen. Gleichzeitig fühlen sie sich mit KI bei der Lösung einfacherer Fragen immer wohler. Die Studie von Genesys zeigt außerdem, dass sich nur 20 Prozent der deutschen Mitarbeiter durch KI bedroht fühlen. Darüber hinaus hat fast die Hälfte (49 Prozent) der Unternehmer festgestellt, dass ihre Mitarbeiter seit dem Einsatz von KI mit ihrer Arbeit zufriedener sind, da sie sich auf erfüllende Aufgaben konzentrieren können.

Neben all der Akzeptanz von KI und anderen Automatisierungstechnologien gibt es jedoch auch Ansätze, diese einzugrenzen. So sind beispielsweise 52 Prozent aller Beschäftigten der Meinung, dass Unternehmen verpflichtet werden sollten, einen Mindestprozentsatz an Mitarbeitern gegenüber KI-getriebenen Robotern und Maschinen beizubehalten.

 

Auch ändert sich das Kanalverhalten – es wird immer mehr über mehrere Kanäle kommuniziert. Die Anforderungen an die Agenten steigen? Sie müssen hochqualifiziert sein?

Moderne Konsumenten sind versiert im Wechsel zwischen verschiedenen Kanälen und erwarten, dass ihnen ihre Lieblingsmarken unabhängig von Zeit und Ort zur Verfügung stehen. Außerdem gehen sie davon aus, dass Unternehmen ihre Historie und ihre Vorlieben kennen. Ein Kunde kann beispielsweise eine Interaktion mit einem Unternehmen über soziale Medien beginnen, ist aber nun dazu übergegangen, sich mit einem Agenten zu verbinden. Wenn der Agent keinen Einblick in die vergangenen Interaktionen auf sozialen Kanälen hat, hat dies möglicherweise Auswirkungen auf die Beziehung zum Kunden.

Die meisten hochentwickelten Cloud-basierten Customer-Experience-Plattformen bieten Unternehmen die Werkzeuge zur Analyse der Kundenhistorie und des Kundenverhaltens in Echtzeit. Dadurch können Mitarbeiter Kunden schnell, vorausschauend und maßgeschneidert den Service bieten, den sich diese heutzutage wünschen.

 

 

Vielen Dank für das Interview Herr Welter!