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Social Media im Kundenservice

Ergebnisse einer empirischen Studie in deren Rahmen mehr als 250 Führungskräfte aus der Call Center Branche befragt worden sind.
Heike Simmet | 04.01.2012
Social Media gewinnen im neuen Commerce 2.0 einen immer höheren Stellenwert. Mittlerweile ist nicht mehr nur von einem Hype auszugehen. Vielmehr ist Social Media zum Kommunikationsstandard in unserer Wirtschaft und Gesellschaft avanciert. Diese Entwicklung betrifft zunehmend auch den Kundenservice. Vor allem für die Digital Natives bzw. die Generation Y, d.h. bei den nach 1980 Geborenen, ist es mittlerweile selbstverständlich, bei Servicefragen zunächst ins Web zu schauen. Das Telefon und mittlerweile auch das E-Mail wird bereits weniger genutzt als die sozialen Netzwerke. Aber auch die Generation der Best Ager holt immer mehr auf. Hier liegt nach amerikanischen und deutschen Studien noch ein erhebliches Wachstumspotential. Die auch Silver Surfer genannte Zielgruppe wird zum Teil sogar als Motor für die weitere Verbreitung von Social Media angesehen.

Kundenservice etabliert sich aufgrund der rasanten Verbreitung von Smartphones, Tablets und der exponentiell ansteigenden Verbreitung von Mobile Apps und QR Codes immer stärker auch mobil. Die Einbeziehung von QR-Codes kann dem Kunden z. B. hoch willkommene Zusatzinformationen bieten. Der ursprünglich aus der Logistik stammende QR-Code eröffnet sehr kostengünstig ein fast grenzenlos einsetzbares Potenzial an neuen digitalen Dialogmöglichkeiten mit den Kunden. Der Kunde zieht ganz einfach mit der Scan-Funktion seines Smartphones über den QR-Code und schon sind vielfältigste Informationen auch über sofort regional verfügbare Produkte und Dienstleistungen wie z.B. Preise, Sonderangebote, Specials oder Zusatzinformationen über Produktspezifikationen abrufbar.

Ein rundum und allerorts verfügbarer 24 Stunden Kundenservice wird von den Kunden immer mehr erwartet. Zu den Herausforderungen von Social Media kommt somit nun auch die Nutzung der Chancen in den mobilen Applikationen durch Mobile Web. Der Kunde fordert heute smarte Lösungen im Kundenservice und ist mit klassischen Hotlines, herkömmlichen Selfservices und FAQ´s nicht mehr zufrieden zu stellen. Die Anforderungen an den Kundenservice haben sich somit deutlich erweitert.

Ergebnisse einer empirischen Studie

Die Diskussion über die Nutzungsmöglichkeiten von Social Media im Kundenservice ist inzwischen auf breiter Front auch in der Callcenter-Branche angekommen. Dies belegt eine Online-Umfrage an der Hochschule Bremerhaven, in dessen Rahmen mehr als 250 Führungskräfte aus der Call Center Branche befragt worden sind und die im Zeitraum Juli 2010 bis im Juni 2011 durchgeführt wurde. Einbezogen wurden sowohl Inhouse-Callcenter als auch Callcenter Dienstleister unterschiedlicher Branchen.

42 Prozent der Führungskräfte in deutschen Callcentern sind den Erhebungen zufolge noch nicht über die konkreten Nutzungsmöglichkeiten von Social Media im Kundenservice informiert.

Im weiteren Verlauf wurden nur noch diejenigen Führungskräfte einbezogen, die angaben, die Nutzungsmöglichkeit von Social Media speziell im Bereich Kundenservice zu kennen. Die erfasste Stichprobengröße reduziert sich dementsprechend.

Die Kriterien für eine Social Media-Nutzung im Kundenservice sind vielfältig. Ziele sind vor allem die Steigerung der Kundenzufriedenheit, das Erhalten von Feedback für Produkte und Dienstleistungen sowie der Erfahrungs- und Wissensaustausch mit den Kunden. Hinzu kommen Aspekte wie die Verbesserung der Kundenansprache, die Gewinnung von Kundeninformationen sowie die Neukundengewinnung.

Die Software und Hardware-Umgebung bietet erst in knapp der Hälfte der befragten Callcenter die Voraussetzung für die Integration von Social Media Anwendungen. Hier besteht also noch ein erheblicher Investitionsbedarf in der Branche. Die Mehrheit der befragten Entscheidungsträger in Callcentern denkt inzwischen über eine Integration von Social Media zumindest nach.
Die explizite Einbindung als selbständiger Kommunikationskanal ist jedoch erst in wenigen Callcentern erfolgt. Callcenter, die bereits über eine Integration des Kommunikationskanals Social Media in ihr Callcenter nachgedacht haben, sehen überwiegend Handlungsbedarf. In 18 Prozent der Unternehmen ist eine Integration bereits erfolgt.

Die Mehrheit plant eine Integration in den nächsten 12 Monaten (42 Prozent). 36 Prozent der befragten Callcenter sehen den Handlungsbedarf, haben jedoch noch keine Integration des Kommunikationskanals Social Media geplant.

Man konzentriert sich in der Callcenter-Branche nach wie vor auf die klassischen Kommunikationskanäle wie Telefon, E-Mail, Fax und Brief/Post. Social Networks wie Facebook und Twitter sowie Web 2.0-Anwendungen wie Internet-Foren, Youtube oder Wikis werden eher seltener genutzt. Über eine die umfassendere Integration der sich in unermesslicher Geschwindigkeit entwickelnden Social Media Netzwerke wird vielfach erst in Ansätzen nachgedacht. Es fehlt vor allem an einer klar konzipierten Social Media Strategie. Auch die Datenschutzproblematik stellt einen schwerwiegenden Hindernisgrund für die Einbindung von Social Media als Kommunikationskanal in den Kundenservice dar.

Die befragten Führungskräfte in Callcentern erkennen überwiegend, dass die Integration von Social Media Konsequenzen für die Qualifizierung der Mitarbeiter hat. So sehen 70% das Erfordernis einer höheren Dialogkompetenz und 65,5% die Notwendigkeit von neuen Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen. Aber auch eine höhere soziale Kompetenz, mehr Flexibilität und mehr Kreativität werden als erweiterte Anforderungsprofile an die Mitarbeiter im Kundenservice gesehen.

Die Integration von Social Media als eigenständiger Kommunikationskanal im Kundenservice wird nach Ansicht der befragten Führungskräfte das Selbstverständnis der Mitarbeiter völlig wandeln. Fast ein Fünftel der befragten Führungskräfte kann sich vorstellen, dass sich ihre Agents frei im Netz bewegen und aktiv den Kundensupport für das Unternehmen übernehmen. Über die Hälfte der befragten Führungskräfte in Callcentern kann sich dies unter entsprechender Anleitung vorstellen.


Vor allem an den Callcenter Dienstleistern geht der Trend zum Social Web als eigenständiger Kommunikationskanal bislang vorbei. Die überwiegende Mehrheit der befragten Inhouse-Callcenter kann sich nicht vorstellen, den Kundenservice an einen externen Dienstleister abzugeben. Dies kommt nur für gerade einmal 10 Prozent der befragten Unternehmen in Frage. Es fehlt spiegelbildlich auch an expliziten Unternehmensanfragen nach den Nutzungsmöglichkeiten von Social Media bei den Callcenter Dienstleistungsunternehmen. Nur 37 Prozent der Callcenter Dienstleister haben hierzu bereits konkrete Anfragen.

Eins ist bereits jetzt sicher: Social Media wird zu starken Veränderungen in der Arbeitsweise von Callcentern in den nächsten drei Jahren führen. Gut 3% der befragten Führungskräfte gehen von einer vollkommenen Änderung der Arbeitsweise in Callcentern aus. Mehr als die Hälfte der befragten Führungskräfte im Kundenservice ist sich sicher, daß Social Media die Arbeitsweise von Callcentern bereits innerhalb der nächsten drei Jahre stark beeinflussen wird. Von einer etwas starken Beeinflussung geht immerhin ein gutes Drittel aus. Nur 12% der befragten Führungskräfte sehen keine oder nur wenig Beeinflussung von Social Media auf die Arbeitsweise von Callcentern in den nächsten drei Jahren.

Perspektiven der Nutzung von Social Media im Callcenter

Insgesamt lässt sich noch ein erheblicher Nachholbedarf der gesamten Callcenter Branche in der Social Media Nutzung zum Zwecke des Kundenservices konstatieren. Offenbar hat die Callcenter Branche einen Megatrend erst recht spät für sich entdeckt. Immense Chancen der Profilierung im harten Wettbewerb bleiben bislang ungenutzt. Die Konsequenzen der Umbrüche, die für die gesamte Callcenter Branche absehbar sind, werden deutlich unterschätzt.

Dennoch zeigen sich gerade in den letzten Monaten immer mehr erfolgversprechende Ansätze der Integration von Social Media in den Kundenservice. Allen voran ist die IT-Branche äußerst aktiv. So wickelt Dell beispielsweise immer mehr Kundenanfragen über das Social Web ab und setzt zugleich stark auf user-generated Content. Aber auch in eher konservativen Branchen werden Social Media Ansätze im Kundenservice durch Callcenter immer häufiger integriert. Beispielhaft können hier die Ansätze der Telekom mit „Telekom hilft“, der Deutschen Bahn mit ihrem Twitter-Service, im Versicherungsbereich die R+V 24 oder das Kundenforum der Helsana Versicherungen mit dem Ansatz „Kunden helfen Kunden“ genannt werden. An den Vorreiter der Integration von Social Media im Kundenservice, den amerikanischen Online-Schuhhändler Zappos, der mit seinem holistischen Ansatz einen außergewöhnlich umfassenden und zugleich proaktiven Kundenservice durchführt, kommt jedoch noch kein deutsches Unternehmen heran.

Deutliche Fortschritte macht auch die Integration von Social Media Monitoring in der Callcenter Branche. Durch die Weiterentwicklung der quantitativ orientierten Social Monitoring Systeme in Richtung der qualitativen Sentimentanalysen und durch die Integration von semantischen Analysen zur Strukturierung von Sinnzusammenhängen der Äußerungen im Social Web bewegt sich die Branche einen deutlichen Schritt in Richtung einer umfassenderen Nutzung von Social Media Plattformen. Hieraus ergibt sich zugleich wesentlich stärker die Aufgabe der Frühwarnung und der Implementierung von Frühwarnsystemen, um Spitzen von Kundenanfragen schon frühzeitig erkennen, Peaks abmindern und Service proaktiv leisten zu können.

Entscheidend ist, dass Social Media nicht lediglich als ein zusätzlicher Kanal angesehen wird, den es neben den vorhandenen Kanälen zu bedienen gilt, sondern dass man sich der immer weiter voranschreitenden Änderung der Kommunikationskultur stellt und diese auch intern integriert.

Social Media wirkt auf drei Ebenen des neuen Commerce 2.0 auf die Strukturen und Prozesse im Callcenter ein.

Zunächst einmal sind die Chancen von Social Media im Kundenservice als einen Dialog 2.0 zwischen Mitarbeitern und Kunden zu erkennen, Schritt für Schritt zu implementieren und später auch umfassend wahrzunehmen.

Darüber hinaus kommt es darauf an, die vielfältigen internen Nutzungspotentiale im Sinne des Enterprise 2.0 Ansatzes zu erkennen und sukzessive zu integrieren. Hier liegen die Chancen vor allem im Aufbau eines effizienten Wissensmanagements durch die konsequente Einbindung von Wikis und Blogs in der internen Kommunikation. Hierdurch lässt sich zugleich eine signifikant messbare Verbesserung des Kundenservices erzielen.

Angesichts des demographischen Wandels und der zunehmenden Knappheit von qualifizierten Mitarbeitern für die immer anspruchsvoller werdende Tätigkeit im Callcenter erweist sich zudem die eigene Nutzung von Social Media zur Profilierung und zum Employer Branding immer wichtiger. Social Media Manager, die nicht nur über die erforderlichen Qualifikationen, sondern auch über das notwendige Maß an Empathie für die komplexen Aufgaben des Agierens und Reagierens im Social Web verfügen, sind in allen Branchen gesucht. Die Callcenter-Branche hat aufgrund ihres seit Jahren bestehenden Imageproblems hier bislang keine gute Startposition als attraktiver Arbeitgeber.

Die Aufgaben von Social Media im Callcenter sind also vielfältig und gehen über das Betreiben einer Facebook-Seite oder eines Twitter-Accounts weit hinaus. Die Integration von Social Media bleibt also auch in Zukunft eine Herausforderung für die Callcenter-Branche.