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Was macht eigentlich ein Digital Trend Scout?

Der Digital Trend Scout ist eine Neuerfindung des Influencer Marketings. Sie durchforsten das Netz nach neuesten Trends und bewerten ihr Potenzial.
altitude | 06.09.2022
Was macht eigentlich ein Digital Trend Scout? © Freepik / sitthiphong
 

Das Influencer Marketing hat neue Berufsbilder hervorgebracht. Eines davon ist das der Trend Scouts. Sie scannen täglich hunderte von Videos, Streams und Postings. Die Digital-Experten identifizieren internationale Trends und durchleuchten deren Potenzial für den hiesigen Markt. Sie suchen die passenden Influencer:innen und Content-Formate für die gewünschte Zielgruppe und das Produkt. Carla Schultz ist Digital Trend Scout und Teamlead für Influencer Marketing bei der Agentur altitude. Sie erklärt im Interview, wie und wo sie wichtige Trends aufspürt, welche Recherche-Quellen sie weiterempfehlen kann und warum der Tiktok-Account eines Jugendlichen zum Thema Tod so erfolgreich ist.

 

Du bist Digital Trend Scout. Was ist deine konkrete Aufgabe?

In meinen Bereich fällt der Research, also das Aufspüren der aktuellen Trends. Das heißt, ich muss immer up-to-date zu sein, um alles im Blick zu haben. Dazu switche ich zwischen allen möglichen Social Media Plattformen, um mich inspirieren zu lassen und neue Trends frühzeitig zu identifizieren. Dabei gilt es zu unterscheiden: Was trendet gerade? Was sieht man vermehrt? Was ebbt gerade ab? Was kann man getrost ignorieren?  Kurz gesagt: Meine Aufgabe ist es, die wichtigen Trends zu identifizieren und sie für meine Kunden umzusetzen.

 

Wie bist du zu diesem Beruf gekommen?

Ich habe Mode- und Designmanagement studiert und verfüge daher über Background im Fashion Bereich. Die Mode ist meiner Meinung nach die Kunstform, in der Trends fast die wichtigste Rolle spielen und zudem schnell wechseln. Während meiner Tätigkeit im Model-Booking habe ich ebenfalls gesehen, wie schnell das geht, beispielsweise was Kleidergrößen oder gefragte Gesichter anbelangt.

 

Wie identifizierst du Trends?

Ich beobachte alle Social Media Kanäle und stelle dabei recht schnell fest, was nur ein kurzfristiger Hype ist und was sich über einen längeren Zeitraum hält. Das ist wichtig zu wissen, denn Marken sollten nicht auf sogenannte One-Hit-Wonder setzen, also Trends, die bald wieder abebben.

 

Was sind deine Lieblings-Recherche-Tools und -Seiten?

Es gibt eigene Tools wie Infludata, aber die nutze ich eher für andere Zwecke. Ich bevorzuge es, mir ein eigenes Bild zu machen. Ich klicke mich durch die verschiedenen Kanäle und checke dabei, wem die Influencer:innen folgen, wen sie verlinken. Da erhält man schon ein recht aussagefähiges Bild. Außerdem stöbere ich in Fachmagazinen und checke deren Webseiten. Dann besuche ich nach Möglichkeit Marketing Fach-Messen wie die OMR. Aber auch Blogs wie Brandwatch liefern mir wichtige Insights. Und natürlich nicht zu vergessen: Der Austausch mit Freund:innen und Kolleg:innen. Auch sie beobachten Trends und kommen mit wertvollen Hinweisen auf mich zu.

 

Wie kanalisierst du die Flut an Informationen?

Im Moment baue ich gerade eine Datenbank auf, um diesen Wust an Informationen, der täglich auf mich einströmt, zu ordnen. Wer wäre für welches Thema und welchen Kunden geeignet? Diese Verknüpfungen im Kopf trage ich digital zusammen. Und inzwischen bin ich sogar dazu übergegangen, Gedanken schriftlich in einem Notizbuch festzuhalten. Da kann man nichts löschen, nur durchstreichen. Irgendwie hat das mehr Bestand, es bleibt länger im Kopf.

 

Gibt es jemanden, den du schon längere Zeit beobachtest und jetzt ganz oben mitschwimmt?

Das ist beispielsweise Lena Terlutter, eine Mode-Influencerin. Sie ist mir 2014 zu meiner Studienzeit aufgefallen. In den letzten acht Jahren hat sie konsequent an ihrem Auftritt und an ihrer Marke gefeilt. Sie kooperiert mit Luxus-Hotels sowie mit Marken wie Mercedes oder Luxuslabels wie luisaviaroma . Zusätzlich ist sie Inhaberin einer Fashion Boutique in Köln. Mit ihrem Gesamtkonzept ist sie ziemlich erfolgreich im Geschäft. 

 

Was für spannende Trends beobachtest du gerade?

Das Medium Podcast gewinnt weiterhin immer mehr an Bedeutung. Der große Vorteil daran ist, dass man sie überall hören und nebenbei alles Mögliche erledigen kann - ein wichtiger Punkt im Zeitalter von Multitasking. Ein passendes Beispiel hierfür ist der Podcast “Kein Bock & keine Zeit” der Erfolgs-Unternehmerinnen & -Influencerinnen Karo Kauer & Carmushka, der in diesem Frühjahr erstmals on Air gegangen ist. Trotz eigenem Unternehmertum und Mutterdasein entschieden sich beide, einen gemeinsamen Podcast aufzunehmen, der seitdem regelmäßig erscheint.

 

„Kein Bock & keine Zeit“, das klingt anders als das jahrelange „Happy-Life“-Mantra.

Ja, tatsächlich, es gibt viel mehr Offenheit im Netz. Wer ausschließlich über sein Hochglanzleben spricht, ist schnell weg vom Fenster.

 

Wie viel Einfluss hatte darauf die Pandemie?

Einen sehr großen. Es fing alles damit an, dass Reisen und Events ab März 2020 komplett weggefallen sind. Die Folge: Influencer:innen haben sich in ihrer „natürlich Umgebung“, also daheim, gezeigt. Sie haben teilweise erstmals die Türe zu ihren eigenen vier Wänden geöffnet. Das war ein echtes Novum und sorgte für viel Transparenz und Authentizität. Es ist auch schön zu sehen, dass seither das Perfektionsstreben abebbt. Momfluencerinnen beispielsweise setzen mehr und mehr auf Realität und widersetzen sich dem Bild des perfekt inszenierten Alltags ohne Babygeschrei und Flecken auf dem Designerteppich. Influencerinnen zeigen sich auch mal ungeschminkt, stehen zu ihren Eingriffen, berichten auch mal über die Risiken. Und: Seither haben auch Themen rund um Mental Health sehr an Zuspruch gewonnen. Sogar die “Mutter aller Influencerinnen” Chiara Ferragni hat beispielsweise öffentlich in ihrer eigenen Show über ihre Paartherapie mit ihrem Ehemann berichtet. Das wäre vor der Pandemie überhaupt nicht vorstellbar gewesen.

 

Auch ein Tiktok-Account zum Thema Tod hätte vorher wahrscheinlich wenig Beachtung gefunden.

Genau. Der 16-jährige Luis Bauer spricht auf Tiktok sehr bewegte Themen an und ist damit richtig erfolgreich. Er teilt mit seinen 1.1 Mio Followern alles rund um „Tod und Bestattung“. Das ist eine immens hohe Zahl, wenn man bedenkt, dass dieses Thema in Deutschland normalerweise nicht sehr offen besprochen wird. Luis hat es damit im Februar auf Platz eins des OMR-Rankings geschafft. Das zeigt, der Trend geht zur Offenheit und transparentem Umgang mit allen Themen.

 

Wo sind uns die USA und Asien in Sachen Trends voraus?

Gerade im Bereich Live-Shopping tut sich dort viel mehr als bei uns. Zwar springen Marken seit Kurzem auch hierzulande auf den Zug auf, aber längst nicht so, wie in Asien oder in den USA. Hierzulande zählen Douglas als auch Mac Cosmetics zu den Vorreitern. Zusätzlich gewinnen Livestreams immer mehr an Relevanz. Brands buchen Influencer:innen beispielsweise auf Twitch, um  live mit ihrer Community zu interagieren. Dadurch erhalten die Brands noch direkteres Feedback und das Shoppingerlebnis wird vereinfacht, beispielsweise durch direkte Verlinkungen oder Buttons zum Online Shop während des Streams.

 

Wie können Werbetreibende von Deinem Knowhow profitieren?

Dadurch, dass ich als Trend Scout laufend alle Strömungen, nicht nur national, sondern auch international auf dem Schirm habe und über ein gutes Netzwerk an Influencer:innen verfüge, kann ich gut einschätzen, welcher Trend für welche Marke in Frage kommt und wie er umgesetzt werden kann. Ich finde die Nadel im Heuhaufen, die der Kunde sucht.

 

Danke für das Gespräch!

 

 

Über Carla Schultz:

Carla Schultz ist Team Lead für Influencer Marketing der Creative Performance Agentur altitude, die für Kunden wie Zalando, Chronext, Foodpanda oder Snipes Kreativität und Performance verbindet. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Influencer Marketing auf Agentur- als auch Brandseite und realisierte zahlreiche erfolgreiche Influencer Marketing Kampagnen.